Stuttgart April 2023

Damit euch die Zeit zu meinem Jahresrückblick nicht ganz so lange wird, melde ich mich zwischendurch mit einem kleinen Bericht zu unserem Kurzausflug letzte Woche nach Stuttgart. Aber Achtung: dieser Blog kann Spuren von Sarkasmus oder Ironie enthalten. Wer Probleme mit dieser Art von Schreibstil hat, der sollte diesen Beitrag besser entweder nicht lesen oder diesen in Begleitung von einer Person lesen, die Sarkasmus und/oder Ironie versteht.

Nun ist es ja nun so, dass es den gemeinen Baden-Württemberger (ja, damit meine ich auch den kleineren Teil unseres Bundeslandes, die badenser Gelbfüssler) nicht unbedingt nach Stuttgart zieht, allenfalls um dort zu arbeiten, um zu shoppen oder um den Flughafen zu nutzen. Nun hat aber Mensa (Erklärung folgt) beschlossen, dass das diesjährige Jahrestreffen in Präsenz und in Stuttgart stattfinden soll (eigentlich wäre das schon 2021 gewesen, aber wie auch bei Stuttgart 21 verzögerte sich der Termin etwas), deshalb bin ich seit Mittwoch in unsere Landeshauptstadt und ähhhh „geniesse“ meinen Aufenthalt hier (das war ein Beispiel für Ironie !!!) . Für alle, die noch nicht wissen, was Mensa ist (fleissige Jahresrückblickleser dürften das schon kennen, für alle anderen: ) Mensa ist ein Verein für Hochbegabte. Wenn ihr euch zutreffenderweise fragt, was ICH damit zu tun habe: ich bin per Verwaltungsakt (= Ehe) verpflichtet, dafür zu sorgen, dass mein persönlicher Mensaner die richtige UBahn nimmt, seine Jacke mitnimmt, seinen Hut nicht liegen lässt und ihm beim Zeitmanagement hilft. Jawohl, Tom (und auch unsere Tochter) sind hochbegabt, das heißt, sie haben einen IQ von über 130. Was allerdings nur heisst, dass sie anders denken, es heisst nicht, dass sie dadurch erfolgreicher oder besser sind. Im Gegenteil, manche Fähigkeiten, sind wohl in die hinteren Gehirnwendungen gerutscht und werden von Hochbegabten entweder ignoriert oder sind trotz Hochbegabung nicht abrufbar (zB räumliche Orientierung – zumindest bei meinen beiden) .

Nachdem Mensa ein Verein ist, muss dieser (wie jeder Verein) einmal im Jahr eine Mitgliederversammlung durchführen. Diese Mitgliederversammlung fand am Samstag statt. Weil aber dazu Mensaner aus ganz Deutschland kommen, hat sich drumherum ein Rahmenprogramm entwickelt, bei dem man verschiedene Programmpunkte (zB Stadtführungen oder Firmenbesichtigungen) buchen kann und das in der Regel schon am Mittwoch anfängt. Das Rahmenprogramm ist auch der einzige Grund, warum ich mitgehe….

Neben Lästereien über Hochbegabte werde ich euch ein bißchen was vom Rahmenprogramm erzählen:

Mittwoch: Mittwoch war Anreise dergestalt, dass Tom mit dem Auto nach Stuttgart fuhr, während ich von der Arbeit aus den Zug nahm, was zur Folge hatte, dass Tom zuerst im Hotel war. Da staunte er dann nicht schlecht, da für ihn ein Einzelzimmer ab Donnerstag (wir sind Mittwoch angereist …) mit Hund gebucht war – und Tom leugnet bis heute, dass er das Zimmer so gebucht hat 🙂
Ich muss vielleicht noch vorausschicken, wie das mit den einzelnen Veranstaltungen läuft: ca. 2 Monate vor dem Jahrestreffen werden auf der Mensahomepage die einzelnen Veranstaltungen, die man dann buchen kann, veröffentlicht. Man kann sich also seinen persönlichen Programmablauf zusammenstellen und darauf hoffen, dass man bei die einzelnen Veranstaltungen auch bekommt – soll z.B. heißen, dass es bei manchen Veranstaltungen nur wenig Plätze gibt, da muss man Glück haben, wenn man da einen Platz bekommt.
Wenn man eincheckt beim Tagungsbüro dann bekommt man schön vorsortiert, organisiert und in mundgerechten Stücken seine ganzen Unterlagen zu den gebuchten Veranstaltungen, eine Fahrkarte für die Öffis – und den Mensa-Tagungsausweis am roten Mensaband. Das sieht dann so aus:

Die Aufmerksamen unter euch haben den Unterschied sicher schon bemerkt: auf dem einen steht eine Nummer, auf dem anderen nicht. Jetzt ist es so, dass der gemeine Mensaner an sich weder Namen noch Gesichter merken kann – das behaupten sie zumindest immer. Es gibt ja durchaus die Gesichtsblindheit, aber in einem so überdurchschnittlichem Maße wie bei Mensanern habe ich das noch nicht erlebt. Sitzt man den ganzen Abend mit Mensanern beim Essen, dann kennen sie einen am nächsten Tag nicht mehr. Wenn man sie dann darauf anspricht „wir sind gestern Abend doch beim Essen nebeneinander gesessen“, dann kommt sehr häufig „ach ja, tut mir leid, ich bin gesichtsblind und Namen kann ich mir sowieso nicht merken“. Da fragt man sich dann als Normalo schon, wozu dann die Intelligenz benutzt wird … Aber egal, ich war beim Tagungsausweis: ein Mensaner trägt seinen Ausweis voller Stolz und immer gut sichtbar (und schaut dann verstohlen auf den Namen – ihr wisst ja: Namen merken ist nicht …). Ganz im Gegensatz zu mir, die ich das Ding immer eher verstecke, denn es kann schon sein, dass ein Mensaner sich mehr oder weniger auffällig abwendet, wenn er merkt, dass die Nummer auf dem Ausweis fehlt. Mir macht das mittlerweile nichts mehr aus, da ich mir immer sage, dass ich zu den (Gott sei Dank!!!) Normalen gehöre. Wobei einen Vorteil hat der Ausweis bzw. das Band: man erkennt sich und weiß, dass man beim selben Verein ist 🙂

Mittwoch Abend waren wir dann bei unserer ersten Veranstaltung, einem Abendessen. Das muss man sich dann so vorstellen: um 19 Uhr fallen 150 Mensaner ein (für so viele waren Plätze in dem Lokal reserviert), die alle Essen und Getränke wollen. Und wenn ich schreibe „um 19 Uhr“ dann ist das auch so, nicht 5 Minuten vorher und nicht 30 Minuten später, die sind alle auf einen Schlag da. Das wiederum stellt (meistens) die Wirte und Bedienungen vor ein Kapazitätsproblem. Gerüchteweise ist es so, dass das lokale Orgateam zumindest versucht, die Wirte darauf vorzubereiten – wobei die meisten Gaststättenbetreiber das in der Regel nicht glauben wollen und dann vom Ansturm überrascht werden.
Kurzer Einschub: so ein Jahrestreffen hat einen Vorlauf von 1 Jahr und mehr. Um das Programm festzulegen, gibt es ein lokales Organisationsteam, das das Jahrestreffen organisiert. Das schaut, welche Führungen es bei Firmen gibt, welche Stadtführungen es gibt, welche Lokale geeignet sind usw.
Zurück zum Essen: Das ist aber nicht das einzige Problem – weil nämlich ein Mensaner nicht auf seinem Platz sitzen bleibt, sondern sich des Öfteren mal umsetzt gibt es in der Regel immer Probleme mit dem Bezahlen, da normalerweise immer auf einen Tisch gebucht wird. Wenn es nun aber ans Zahlen geht und der Mensaner nicht mehr an seinem ursprünglichen Tisch sitzt, dann gibt das ein heilloses Durcheinander, weil auch die Bedienungen in aller Regel nur für bestimmte Tische zuständig sind … Das, was ich hier beschreibe, ist tatsächlich kein Einzelfall, da Tom mir das von seinen lokalen Treffen mit Mensanern in Ulm genau so beschreibt.

Ansonsten hatten wir am Mittwoch Abend noch eine Führung über Wald- und sonstige Geister durch Stuttgart, die aber nicht sonderlich interessant war und ich mir es deshalb auch spare, was darüber zu schreiben.

Donnerstag waren wir zuerst auf einer Backstage-Führung zum Musical Tanz der Vampire, was sehr gut gemacht war und sehr interessant war. Wir waren vor über 25 Jahren schon mal in Tanz der Vampire, aber ich hatte die Bühne als nicht so klein in Erinnerung. Auf einem Jahrestreffen ist es so, dass man für jede Veranstaltung zum einen eine Berechnung bekommt, wie lange man vom Tagungshotel zur jeweiligen Veranstaltung braucht oder man hat zum anderen die Möglichkeit, sich von einem (sich in aller Regel nicht ortskundigen) Mensaner zur Veranstaltung guiden zu lassen. Ein Guide (und nur der!) hat dann z.B. so eine Wegbeschreibung:

Wegbeschreibung vom Tagungshotel

Vom Maritim aus rechts halten und zur Haltestelle Rosenberg-/Seidenstraße (H1 auf der Haltestellenkarte) gehen.

Von dort aus mit der U4 Richtung Untertürkheim bis zur Haltestelle Rotebühlplatz (Stadtmitte) fahren. Entgegen der Fahrtrichtung dem Bahnsteig folgen, die Rolltreppe hinauffahren und der Beschilderung zur S-Bahn folgen (schräg rechts, dann eine Rolltreppe runter). Das linke Gleis ist deines, bitte mindestens das halbe Gleis vorlaufen, damit du nachher nicht rennen musst.

Mit der S3 Richtung Vaihingen fünf Stationen weiterfahren bis Vaihingen. In Fahrtrichtung weiterlaufen, die Treppe runtersteigen in die Überführung und rechts abbiegen. Die nächste Treppe links hochsteigen zum Gleis 11. Dort in die U3 Richtung Plieningen einsteigen und acht Haltestellen weiterfahren bis Salzäcker.

In Fahrtrichtung weiterlaufen und nach links die Gleise überqueren. Den Berg hinauflaufen und dort der Beschilderung zum Stage Apollo Theater folgen. Der Treffpunkt ist der Eingangsbereich des Theaters.

Diese detaillierte Beschreibung hat den unschätzbaren Vorteil, dass NICHT diskutiert wird. Es wird dorthin gelaufen, wo der Guide einen hinführt.

Nachmittags waren wir dann im Strafvollzugsmuseum in Ludwigsburg – mein persönliches Highlight. Das war so interessant gestaltet und die Dame, die das gemacht hat, war so engagiert, dass es einfach Spaß gemacht hat, ihr zuzuhören. Das Museum geht über den Strafvollzug vom Mittelalter bis jetzt. Erstaunlich fand ich, dass in (West-) Deutschland bis April 1949 noch mit Guillotine geköpft wurde (DDR bis 1962) oder dass die RAF in den Stammheimer Gefängniszellen Pizza mit improvisierten Pizzaöfen aus einer Keksdose herstellte (dabei gibt es in Stammheim bis heute keine Pizza im Gefängnis) . Hier ein paar Bilder davon:

Das war der Donnerstag. Abends waren wir dann Koreanisch Essen und waren dann noch an der Hotelbar. Dabei ist dann der eine oder andere versackt (Spoiler alert: ich wars nicht :-)). Wobei das ja auch so ein Mensa-Phänomen ist: gerüchteweise steht in irgendeiner Anweisung zur Organisation des Jahrestreffens, dass die Hotelbar des Tagungshotels mindestens bis 3 Uhr nachts geöffnet haben muss, das wird dann auch so ausgehandelt. Nur: die Wirte – ihr ahnt es schon – glauben das meist nicht, dass um 2:30 Uhr noch so viel los ist und teilen deshalb weniger Personal ein, wollen früher schließen und sind dann völlig erstaunt, dass sich um 3 Uhr noch so viele Leute an der Bar tummeln (während gleichzeitig völlig überlastetes Personal versucht, die Bestellungen abzuarbeiten). Das wird dann auch von Tag zu Tag besser und am Samstag hatte es sage und schreibe 8 Bedienstete hinter der Hotelbar. Der Lerneffekt war spürbar vorhanden – zumindest auf Seiten des Hotels.
Freitag ging es weiter zur Flughafenführung am Stuttgarter Flughafen samt Flughafenfeuerwehr. Und da war er dann: mein Mensamoment 🙂 Stellt euch folgendes vor: im Flughafen hängt eine Fotografie des Flughafen, fotografiert von schräg vorne. Das sah ungefähr so aus:

Jetzt ist es aufgrund der Perspektive so, dass es so aussieht, dass die schwarzen Streifen am oberen Bildschirmrand näher bei den weißen Streifen sind als am anderen Ende der Landbahn (sieht man schlecht auf dem Bild hier). Dieses Mysterium, um das sich die Normalo-Frau überhaupt mal keine Gedanken macht (Achselzucken und ein „ist halt so“) wird jetzt aber diskutiert: setzen Flugzeuge, wenn sie von Osten her landen, früher auf? Brauchen Flugzeuge bei Landung von Osten mehr Länge zum Bremsen? Fragen über Fragen, mit denen sich Mensaner beschäftigen können…

1 Mio € Anschaffungskosten, Löschtank ist innerhalb von 2 Minuten leer


Nach dem Flughafen ging es weiter zur Villa Reitzenstein, dem Dienstsitz des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, bzw. dem Staatsministerium. Die Führung dort hat ein Mitarbeiter gemacht, der das 1. freiwillig tat und 2. ein sehr großes Wissen hatte und dieses Wissen auf sehr subtile Art und Weise -insbesondere gegenüber Mensanern – preisgegeben hat. So was mag ich ja 🙂 Mensaner haben einfach die Angewohnheit alles sehr detailliert wissen zu wollen und akzeptieren nur schwer Meinungen oder Argumente anderer. Wenn man dann jedoch die Fragen mit Wissen und detaillierter Präzision beantworten kann, geben die Mensaner manchmal auch Ruhe – so auch hier.

Was mich bei diesem Bau völlig fasziniert hat, war, dass kein Staubkörnchen sichtbar war oder irgendwo Spinnweben rumhängen hatte. Schaut euch alleine mal die Lampen an – alles blank gewischt und sauber. Ich weiß, das ist ein repräsentativer Bau, aber wie viele Reinigungskräfte haben die denn??? Faszinierend 🙂 Der Reinigungstrupp kann auch gerne mal bei mir vorbeikommen…

Kabinettstisch – ohne Steckdosen. Die sind unter dem Tisch angebracht 🙂 Den Tisch hat man in der Mitte auseinandergeschnitten und eine Steinplatte eingesetzt, damit mehr Leute am Tisch Platz haben – aber: alles aus The Länd 🙂

Freitag Spätnachmittag war ich noch auf einem Vortrag eines Mensaner: „Wie man trotz IQ in der Industrie Karriere machen kann“. Ich fand das super interessant, weil Mensaner tatsächlich häufiger mal scheitern als das die Normalos tun, denn aufgrund der anderen (manchmal nicht kompatiblen) Denkweise ist der Frust vorprogrammiert. Mensaner geht in der Regel sehr in die Tiefe und will alle Eventualitäten wissen und abwägen, während ein durchschnittlicher Chef die wesentlichen (nicht alle) Fakten und Risiken haben möchte, dann entscheidet und zum nächsten Problem geht. Damit kann ein Mensaner nicht umgehen – oder nur sehr schlecht.

Während mein Mann am Samstag pünktlich um 10:01 Uhr zur Mitgliederversammlung ging (nein, ist KEIN Tippfehler, die fangen tatsächlich um 1 Minute nach 10 an …), habe ich mir eine Massage gegönnt, war shoppen und war dann nachmittags auf einer Baustellenführung zum neuen Stuttgarter Hauptbahnhof. War ganz nett und wer mal am Stuttgarter Bahnhof (der zugegebener Maßen derzeit die absolute Vollkatastrophe ist) ist, dem empfehle ich, das Infozentrum an Gleis 16 zu besuchen. Ist sehr sehenswert und informativ (koscht au nix) . Die Planungen zum neuen Bahnhof haben bereits 1988 (glaube ich) angefangen, fertig sind sie im Dezember 2025 – davon geht zumindest die Bahn aus ….

Der vordere Teil des Hauses steht unter Denkmalschutz und musste von der Bahn „bewahrt“ werden, während der hintere Teil nicht denkmalgeschützt ist und abgerissen wurde. Eigentlich wollte die Bahn das Gebäude komplett abreissen, aber so mussten jetzt unter dem Gebäude gefederte Schienen verlegt werden, so dass die Erschütterungen nicht ganz so spürbar sind.

Samstag Abend ist traditionell das Galadinner – und ich weiß nicht wieso, aber dieses Mal waren wir auch dabei:

Gala ist so gar nicht mein Ding – das Kleid ist übrigens aus Pias Kleiderschrank (jahaaaaaa – bitte keine Fragen zur Größe – ich erklär das gleich 🙂 – das hat sie irgendwann mal auf einem Second Hand Basar gekauft. Es war ihr zwar 2 Nummern zu groß und sie wollte das immer mal noch abändern, was sie aber glücklicherweise nicht getan hat, so dass auch ich mal etwas aus ihrem Kleiderschrank klauen konnte 🙂
Immerhin haben wir uns auf dem Gala ganz nett unterhalten und das Essen hat auch gepasst. An unserem Tisch saß unter anderem eine pensionierte Lehrerin aus Übach-Palenberg. Die Welt ist so klein (alle, die diesen Satz nicht verstehen: da war ich in letzter Zeit häufiger mal beruflich, liegt in der Nähe von Aachen an der niederländischen Grenze). Außerdem saß da ein Autor von historischen Romanen, die ich unbedingt mal lesen muss 🙂

So ihr Lieben, das war es – ich kann euch aber trösten, denn in gut einer Woche gehe ich wieder pilgern und werde schauen, dass ich euch auch dieses Mal an meinen Erlebnissen teilhaben lasse.

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